Lassen es krachen
/ Rebecca und Anna, herzliche Gratulation, eure EP Revue wurde soeben in der Visions Mai-Ausgabe zum Demo des Monats gekürt. Wie fühlt ihr euch?
Es ist völlig verrückt und wir sind noch immer voll aus dem Häuschen. Wir hätten nie im Leben damit gerechnet!
Als wir im März die ersten Mastering-Aufnahmen hatten, haben wir diverse Magazine angeschrieben. Darauf haben wir nichts mehr gehört und die Sache eigentlich auch schon wieder abgeschrieben. Und dann auf einmal, wie aus dem Nichts, kommt die Mail von Visions, wir seien Demo des Monats in der nächsten Ausgabe. Wahnsinn! Als wir die Nachricht erhalten haben, haben wir in der Mittagspause über eine halbe Stunde zusammen telefoniert und konnten es kaum glauben.
Die vier Songs für die EP habt ihr in Bochum im Kaputtmacher Studio aufgenommen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Auch das kam sehr überraschend. Im Dezember 2017 haben wir eine Anfrage von Jochen Stummbillig, dem Betreiber der Kaputtmacher Studios, erhalten. Er sei irgendwie im Internet auf uns gestossen und hat uns angefragt, ob wir Lust hätten Aufnahmen bei ihm zu machen. Wir kannten das Studio bereits durch die Kaputtmacher-Sessions, bei denen Bands die uns sehr gefallen, schon gespielt haben. Wir mussten also nicht lange überlegen und haben direkt zugesagt. Im Sommer 2018 sind wir dann für eine Woche nach Bochum gefahren und haben bei brütender Hitze im Studio die Songs eingespielt. Es hat alles bestens geklappt und war für uns eine super Erfahrung.
Die vielen Möglichkeiten, die wir heute haben, lassen uns ständig auf etwas Besseres warten.
Erklärt uns doch bitte kurz worum geht es in den vier Songs geht?
Unsere Texte sind selten explizit und funktionieren deshalb immer auf mehreren Ebenen. Wir wollen die Leute mit unseren Texten zum Nachdenken anregen.
Im Song Vongestern geht es darum, dass man oft von Veränderung träumt, den schlussendlichen Schritt dann aber doch nicht wagt bzw. den Mut dazu nicht aufbringt. Sei es auf gesellschaftlicher oder persönlicher Ebene. Aus Angst anzuecken, klammert man sich dann an die alten Vorstellungen und lebt weiter im Gestern.
Bei Wunder geht es um Identitätsfindung. Ein sehr komplexes Thema, das heutzutage noch erschwert wird durch gesellschaftliche Strukturen und damit einhergehendem Druck von aussen. Das ist ein Prozess, der nie abgeschlossen und vor allem in unserem Alter gerade aber sehr präsent ist.
Schüsse greift das Thema Beziehungen auf. Der Song handelt von der Angst sich für jemanden oder etwas zu entscheiden und dem Gefühl, etwas zu verpassen. Die vielen Möglichkeiten, die wir heute haben, lassen uns ständig auf etwas Besseres warten.
Imaginé wurde als politscher Song im Rahmen der Migrationsdebatte geschrieben. Es geht um Vorurteile und Einstellungen gegenüber den Menschen, die zu uns kommen. Auch über verpasste Chancen von Ländern, Personen und Institutionen, welche ihre Verantwortung nicht so übernehmen, wie sie es eigentlich sollten.
Damit steht ihr mit einem Bein schon in Deutschland – ein gutes Pflaster für eure Musik. Was habt ihr für dieses Jahr weiter geplant?
Die deutsche Band Lygo aus dem Raum Köln geht im September auf Deutschland Tour und nimmt uns als Support für die 4 Konzerte in Saarbrücken, Köln, Hamburg und Berlin mit. Das sind dann auch unsere ersten Konzerte überhaupt in Deutschland. Das ist wahnsinnig cool und wir freuen uns sehr darauf. Ausserdem organisieren wir gerade selber auch noch eine Tour für den Zeitraum nach den Shows mit Lygo. Dort werden auch Konzerte in der Schweiz und sicher auch nochmals in Deutschland dabei sein. Wir wollen im Moment so oft live spielen wie möglich.
Eure Band ist als Akustik-Punkrock Projekt gestartet. Die Gitarren sind unterdessen elektrisch und euer Stil härter. Hat euch die Akustik-Schiene gelangweilt, oder war das eine schleichende Entwicklung?
Eigentlich hätte unsere Musik schon immer so klingen sollen wie heute. Da wir aber anfangs nur zu zweit waren und in einem Wohnzimmer probten, versuchten wir, vielleicht sogar etwas zu sehr, die Songs in dieses Akustik-Korsett zu zwängen. Das hört man auch auf alten Aufnahmen von uns sehr gut. Die Songs hätten schon immer sehr viel lauter sein wollen.
Dies ist überhaupt ein prägendes Thema für uns und es hat uns irgendwann auch echt gefrustet, wir wollten einfach härtere Musik machen. Zwei Frauen, die versuchten irgendwie lauten Akustik-Punk mit Screamo-Features zu machen – wir fühlten uns einfach oft belächelt, was uns wiederum aufgeregt hat. Nun machen wir lautere und härtere Musik, es ist für uns aber sogar noch schwieriger geworden, ernst genommen zu werden. Wir werden oft einfach auf unser Geschlecht reduziert.
Darf ich hier kurz einhängen? Ich hatte diese Frage eigentlich vorbereitet, habe sie dann aber wieder rausgenommen. Da das Thema nun aber auf dem Tisch ist, würde ich sie doch gerne stellen. Für mich ist eine Band eine Band, egal welches Geschlecht die Beteiligten haben. Wie erlebt ihr das Thema in eurem Bandalltag?
Es kommt sehr darauf an, wo wir spielen – in welchem Umfeld. Wenn wir uns in unserem eigenen musikalischen Genre aufhalten, ist es meist OK und das Verständnis ist da. Aber es gibt halt wirklich Orte wo man einfach zuerst blöd angeguckt wird. Ich glaube schon, dass immer noch viele Leute Vorurteile gegenüber Frauen in Bands haben und denken, ′die können eh nichts, oder die machen sicher keine harte Musik′, einfach weil wir Frauen sind. In eher ländlichen Gegenden ist das Phänomen sicher noch etwas ausgeprägter.
An einem Festival wollte ich mal zurück in den Backstage und ich wurde gefragt, ob ich überhaupt da reindarf. Als ich ihm dann meinen Backstage Pass zeigte, fragte er, ob ich hier arbeite. Dass ich nachher auf der Bühne stehe, entzog sich schlicht seiner Vorstellung. Oder bei einem anderen Festival ging es in der kurzen Band-Beschreibung bei uns als einzige Band, noch um unser Aussehen, was komplett irrelevant ist für unsere Musik. Wir wollen durch unsere Musik und nichts anderes auffallen. Das Geschlecht wird aber zwangsläufig zum Thema, obwohl wir das gar nicht wollen. Wie du sagst, wir sind einfach eine Band.
Ich habe erst gerade die Biografie einer Band gelesen, welche in den 70er und 80er Jahren aktiv war. Da erzählen die Protagonistinnen genau von denselben Schwierigkeiten. Es scheint sich leider in den letzten 30-40 Jahre in dieser Beziehung nichts getan zu haben.
Es scheint sich tatsächlich nur sehr langsam etwas zu verändern, denn wir haben schon Erfahrungen gemacht, die nicht in Ordnung sind, zwar nicht oft aber dennoch: Anzügliche Blicke und dumme Kommentare von Tontechnikern, mit denen wir dann noch den ganzen Abend zusammenarbeiten sollten. Das ist einfach beschissen! Wir haben unterdessen auch begonnen, das Thema direkt auf der Bühne anzusprechen. Es ist einfach nicht in Ordnung. Vielen ist es aber auch nicht bewusst das solche Dinge passieren. Wir haben auch schon mit Männern über das Thema gesprochen und viele sagen, dass ihnen dies nicht bewusst sei. Diese Dinge laufen meistens sehr subtil ab und fallen deswegen von aussen wahrscheinlich weniger auf. Für uns ist es jedoch ein sehr emotionales Thema.
Wir wollen durch unsere Musik und nichts anderes auffallen!
Wie lange kennt ihr euch schon und seit wann macht ihr zusammen Musik?
Wir kennen uns schon ewig und sind zusammen in derselben Strasse aufgewachsen. Zirka ab Mitte des Gymis, haben wir im Keller und im Garten zusammen begonnen Covers zu spielen. Auch für den Musikunterricht, oder dann gab es von Coop mal einen Wettbewerb, bei dem man ein Video von sich hochladen konnte. Wir haben es damals mit einem Papa Roach Cover versucht, sind damit aber nicht wirklich weitergekommen – haha. Parallel zum Studiumsbeginn haben wir dann auch begonnen eigene Songs zu schreiben und seit 2014 sind wir unter dem Namen Mr. Linus unterwegs.
Die EP habt ihr in Toms Beer Box in Chur getauft. Das war auch der letzte Gig mit eurem Drummer Dave. Wie geht es nun mit eurer Besetzung weiter?
Wir sind momentan gerade dabei, zu zweit an neuen Songs zu arbeiten. Für die bereits geplanten Live-Shows konnten wir einen Freund von uns als Ersatzdrummer gewinnen. Das ist momentan das Wichtigste, dass wir die Konzerte spielen können. Wie es dann im nächsten Jahr weitergeht, lassen wir auf uns zukommen.
Ihr studiert beide in Bern. Habt ihr dort einen Proberaum, oder wie arbeitet ihr momentan als Band?
Wir sind eher wieder zum Wohnzimmer zurückgekehrt. In Bern wohnen wir zusammen und so funktioniert auch das Songwriting sehr gut. Die letzten drei Jahre haben wir im Proberaum unseres ehemaligen Drummers in Haag geprobt. Anfangs Juni beginnen wir dann mit unserem Aushilfs-Schlagzeuger hier in Zürich zu proben.
Wir haben ja erst angefangen richtig laut zu werden!
Mr.Linus
Rebecca – Gesang, Bass
Anna – Gitarre, Gesang
Alben: Revue EP (2019)
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