Simone Meyer setzt St.Galler Jugend ein Denkmal
/ Am 2. Dezember erscheint das Buch «Güllens Grünes Gemüse», welches auf 320 Seiten sehr eindrücklich, ein halbes Jahrhundert Jugendkultur und städtische Jugendarbeit in St.Gallen, beleuchtet. Von den 60ern bis heute, zeigt das Werk mit viel Bildmaterial von Flyern, Postern, Gebäuden und Bands auf, was die Jugend in den vergangenen Jahrzehnten in St.Gallen bewegte. Ein wahrer Fundus! Das Buchprojekt entstand aus der Bachelorarbeit in sozialer Arbeit von Simone Meyer und in enger Zusammenarbeit mit dem Büro Sequenz, welches auch die Gestaltung übernommen hat. Verlegt wird das Buch durch die Verlagsgenossenschaft St.Gallen.
Simone, wie ist das Buch «Güllens Grünes Gemüse» entstanden und was war deine Motivation dahinter?
Das Buch entstand aus meiner Bachelorarbeit, welche ich im Rahmen meines Studiums in sozialer Arbeit schrieb. Da ich selber kulturell, und vor allem an sozialen Bewegungen, sehr interessiert bin, nahm es mich wunder, was es in St.Gallen schon alles gab und ob ich das allenfalls mit sozialer Arbeit in Verbindung bringen kann. Bei meiner Recherche zum Thema fand ich eigentlich nur ein einziges Buch mit dem Titel Aufbruch, welches sich aber eher politisch geprägt mit dem Thema auseinandersetzt. Somit war dann schnell klar, dass dieses Thema noch nicht aufgearbeitet wurde und Nachholbedarf bestand.
Als ich dann mit der Arbeit fast fertig war, kam parallel von der Dienststelle Kinder Jugend Familie, dem ehemaligen Jugendsekretariat, die Idee bzw. der Wunsch auf, zum damaligen 40sten Jubiläum, die Geschichte der Jugendarbeit in unserer Stadt aufzuschreiben und festzuhalten. Da der Dienststellenleiter Andreas Bokànyi wusste, dass ich an einer solche Arbeit dran bin, hat er mich dafür angefragt und so kam es ins Rollen.
Wie lange hat die Arbeit am Buch gedauert?
Das Projekt lief über ca. 4 Jahre. Die Bachelorarbeit hatte ich bereits 2017 abgegeben. Sie machte ca. 25% des Inhaltes des jetzigen Buches aus. Es entstand also als Ergänzung zur Bachelorarbeit. In der eigens für das Buch gegründete Redaktionsgruppe, war auch das Büro Sequenz dabei – sie haben einen ganz erheblichen Teil zum Buch beigetragen. Nicht nur die Gestaltung, sondern auch ganz viel Inhalt und Ideen. Das Projekt lief somit neben meinem Studium und der Arbeit in der offenen Jugendarbeit. Mein Studium habe ich unterdessen mit dem Master abgeschlossen.
Hört den Jugendlichen zu! Sie sind äusserst kreativ und aufgeweckt.
Wie schwierig gestaltete sich die Recherche der Inhalte?
In den ersten Sitzungen der Redaktionsgruppe, haben wir lange diskutiert, was überhaupt ins Buch rein soll und wir sammelten viele Ideen. Danach habe ich mich aufgemacht zu schauen, über welche Themen es überhaupt etwas zu finden gibt. Vieles davon tauchte ja bis dahin in keinem Archiv auf und ist nicht zu verifizieren. Die 70er und 80er sind zum Beispiel sehr gut dokumentiert und ich habe darüber im Stadtarchiv duzende Ordner gewälzt. Die neueren Inhalte sind aber schwieriger zu finden, da sie im Internet verstreut sind, was viel Zeit in Anspruch nahm.
Das ganze Bildmaterial fanden wir über Bekannte, die wir innerhalb des Kulturkuchens kennen. Das Büro Sequenz hat auch von früheren Partys und Magazinen viel Material und sie sind auch sonst sehr gut vernetzt und konnten diese Kontakte spielen lassen. Philipp Buob, von der Stickerei und dem Analog, ist so eine Schlüsselperson, da er einen ganzen Ordner voll mit alten Flyern hat. Oder Lurker Grand, der einfach schon ewig in der Szene ist und vor allem im Bereich Punk ein wandelndes Lexikon ist.
In den Gesprächen und dem Austausch über das Material ergaben sich aber auch immer wieder neue Geschichten. Wir wurden von der Menge der Infos fast überschwemmt. Ich hatte zuhause so ein grosses Poster mit wichtigen Protagonistinnen und konnte so die Abhängigkeiten aufzeichnen – wie in diesen Detektiv-Filmen.
Wie habt ihr das Buch erarbeitet?
Das verlief wellenartig, sprich einige Wochen lief nichts und dann gab es auf einmal wieder einen kreativen Rutsch. Der Grundtext stand nach ca. 1,5 Jahren. Danach mussten wir die einzelnen Jahrzehnte austarieren, so dass die Kapitel ungefähr die gleichen Umfänge erhielten.
Die Einleitungen zu den einzelnen Jahrzenten erzählen, was in der jeweiligen Zeit weltpolitisch abging und stecken so den Rahmen ab. Dazu hat vor allem die Lektorin Magdalena Bernath sehr viel Inputs eingebracht und dem Buch die nötige Struktur verliehen.
Das mit dem Bildmaterial hat dann wirklich ewig gedauert und wäre fast ausgeartet. Was ist wichtig? Was kommt rein? Was lassen wir weg? Wen und was dürfen wir auf keinen Fall vergessen? Diese Auswahl war sehr schwierig und auch die ganzen Bildnachweise zusammenzutragen. Dürfen wir dieses und jenes Bild überhaupt verwenden? Von wem ist es? Sind die Personen, die darauf abgebildet sind, einverstanden damit?
Was war für dich, während der Entstehung des Buches, am spannendsten?
Spannend zu sehen war, dass die Bedürfnisse der Jugendlichen über die Jahrzehnte immer in etwa dieselben waren. Sie brauchen Raum für ihre Ideen. Sie machen es anders als ihre Eltern. Sie organisieren sich selber. Wichtig zu sagen, finde ich: Hört den Jugendlichen zu – denn sie sind äusserst kreativ und aufgeweckt.
Wie und wo hast du deine eigene Jugend verbracht?
Aufgewachsen bin ich in Heiden und mit ca. 19 Jahren bin ich nach St.Gallen gezogen. Damals habe ich jedes erdenkliche Perkussionsinstrument gespielt und bin bei diversen Bands am Drum gesessen. Mit 17 bin ich bereits in die Betriebsgruppe des Flon eingestiegen und hab dort mitgeholfen den Betrieb am Laufen zu halten, Konzerte zu organisieren und auch den eigenen Ausgang dort verbracht.
Später waren wir dann oft am Anfang des Abends in unserer Stammbeiz, dem Bierhof, bevor es dann weiterging z.B. ins Naschwerk beim Spiessermarkt oder ins Catwalk. Schlussendlich habe ich sehr viel Zeit an Konzerten in der ganzen Schweiz verbracht. Durch die riesige Plattensammlung meiner Eltern habe ich viel in Sachen Musik mit auf den Weg bekommen.
Das Buch kann über den Verlag bestellt werden: vgs-sg.ch
Büro Sequenz: sequenz.net